Zerbrechliches Erbe: Bedrohte Sprachen dieser Welt
Im Jahr 2001, dem europäischen Jahr der Sprachen, wurde der 26. September als europäischer Tag der Sprachen festgelegt, der seitdem jährlich stattfindet. Ziel der Aktion ist es, zur Wertschätzung von Sprachen und den damit verbundenen Kulturen beizutragen und Menschen auf die vielen Vorteile verschiedener Sprachkenntnisse aufmerksam zu machen.
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Vom Aussterben bedrohte Sprachen
Wieso sprechen wir heute eigentlich kein Latein mehr? Oder germanisch? Oder proto-indoeuropäisch? Ganz einfach – diese Sprachen sind ausgestorben, da ihre Sprechergruppe immer weiter bis in die Bedeutungslosigkeit schrumpfte. Mit dem Verschwinden der letzten Muttersprachler verschwand auch die Sprache. Auch heute gibt es Sprachen, denen das gleiche Schicksal droht. Laut UNESCO sind 577 der weltweit rund 6.000 Sprachen „critically endangered“ (kritisch bedroht) oder moribund (todgeweiht). Das heißt, die jüngsten Sprecher dieser Sprache sind Großeltern oder noch ältere Sprecher und selbst diese sprechen die Sprache nur noch teilweise und unregelmäßig. Sprachwissenschaftler sind sich einig, dass bis zum Ende dieses Jahrhunderts wohl 70 bis 90 Prozent der einheimischen Sprachen ausgestorben und durch dominierende Weltsprachen ersetzt sein werden. Einige dieser Minderheitensprachen wollen wir heute genauer unter die Lupe nehmen.

Europa: Das Baskische
Die baskische Sprache nimmt in Europa eine Sonderrolle ein: Sie ist eine isolierte Sprache, das heißt, sie ist mit keiner anderen Sprache des Kontinents verwandt. Zudem gehört sie zu den potentiell gefährdeten Sprachen. Es gibt in Spanien und im Baskenland noch rund 1 Million Sprecher. Damit ist sie zwar potentiell gefährdet, steht aber noch auf weitaus sichereren Füßen als das nächste Beispiel.
Auf der Liste der potentiell gefährdeten Sprachen in Europa stehen unter anderem das Bairische, das Alemannische, das Ost- und Rheinfränkische sowie Platt- und Niederdeutsch. Diese Dialekte verlieren auf Dauer immer mehr Sprecher, da das Hochdeutsche mehr Prestige besitzt.

Deutschland: Sorbisch und Saterfriesisch
Von dieser Minderheitensprache habe Sie sicher schon gehört: Das Sorbische wird im Osten Deutschlands gesprochen und teilt sich in die Dialekte Ober- und Niedersorbisch auf. Insgesamt kommen beide Varietäten der slawischen Sprache noch auf 25.000-30.000 Muttersprachler.
Saterfriesisch ist schon in einer um einiges kritischeren Lage. Es ist die letzte verbleibende Varietät der ostfriesischen Sprache und zählt nicht mehr als 1.500 bis 2.000 Sprecher. Das macht das Saterfriesische zur kleinsten Sprachinsel Europas. Die Sprache genießt deshalb auch besonderen Schutz. In der Schule lernen Kinder freiwillig Saterfriesisch, zudem sind die Ortsschilder in Saterland (bei Cloppenburg) zweisprachig verfasst. So sollen die Kultur und Identität, die die Sprache in sich trägt, beibehalten und geschützt werden.

Amerika: Die Sprache der Sioux
Doch nicht nur in Europa, auch auf dem amerikanischen Kontinent gibt es etliche vom Aussterben bedrohte Sprachen. Die meisten davon sind Sprachen der indigenen Bevölkerung, die aufgrund von jahrhundertelanger Unterdrückung dazu gezwungen wurde, ihre Sprache zugunsten des dominanten Englisch aufzugeben. Eine davon ist die Sprache der Sioux, einem Stamm, dem auch der berühmte Häuptling Sitting Bull (Foto) angehörte. Die Sprache teilt sich in mehrere Dialekte auf und wird heute von nicht mehr als 25.000 Menschen gesprochen. Einige Dialekte gelten bereits heute als moribund, also todgeweiht.

Amerika: Itzá-Sprache
Auch in Süd- und Mittelamerika gibt es etliche indigene Sprachen, die kurz vor dem Aussterben stehen. Zum Beispiel die Itzá-Sprache, die heute nur noch wenige beherrschen. Schätzungen gehen von 12-1.100 Sprechern aus. Aufgrund der rücksichtslosen Politik der europäischen Großreiche während der Kolonialzeit, ist heute nicht mehr auszumachen, wie viele indigene südamerikanische Sprachen bereits unwiederbringlich ausgelöscht wurden. Ein großes Problem ist, dass indigene Sprachen oft keine Schriftsprachen sind. Sie können also nicht aufgeschrieben werden und sind auf mündliche Weitergabe angewiesen.

Sprachfriedhof Australien
Australien ist ein wahrer Friedhof für Sprachen. Allein dort sind rund 255 sogenannte Zwergsprachen gefährdet, da die meisten Aborigines mittlerweile Englisch als Muttersprache erlernen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es in Australien noch 500 bis 600 verschiedene ethnische Gruppen und nahezu ebenso viele Sprachen und Dialekte. Durch die rücksichtslose englische Kolonialpolitik, die neben einem Verbot der indigenen Sprachen auch eine Zusammenlegung der Ureinwohner in Reservate vorsah, starben viele Sprachen aus. Unter anderem deswegen bezeichnete der Linguist Harald Haarmann Australien als "größten Sprachenfriedhof der Welt". Als moribund gelten heute Sprachen wie das Waanyi mit vier Sprechern, das Ngardi mit 10 Sprechern oder das Tharkarri mit zwei Sprechern.

Australien: Guugu Yimidhirr
Was sich auf den ersten Blick liest wie ein Name aus "Der Herr der Ringe", ist in Wirklichkeit die Bezeichnung für eine australisches Sprache. Sie ist mit nur 2.000 Sprechern potentiell gefährdet. Das Besondere an ihr? Auf Guugu Yimidhirr geht das Wort "Känguru" zurück, das in dieser Sprache "ganguru" heißt.

Südostasien: Makolkol
Auch in Südostasien sind die von Minderheiten gesprochenen Sprachen nicht gefeit davor, in ewige Vergessenheit zu geraten. Ein Beispiel ist die Sprache Makolkol, die auf Neuguinea von nur noch 7 Sprechern gesprochen wird. Diese Zahl stammt aus dem Jahr 2000, neuere Untersuchungen liegen aufgrund der Lage des Stammes, fernab der Zivilisation, nicht vor. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Sprache heute bereits nicht mehr gesprochen wird.

Asien: Puma
Die Volksgruppe der Puma lebt in Nepal in der Everest-Region. In den schwer zugänglichen Tälern hat sich ihre Sprache (ebenfalls Puma) bis heute erhalten. Für Forscher ein wahrer Glücksfall, denn die Sprache birgt einige Besonderheiten, die von keiner anderen Sprache der Welt bekannt sind. Wortteile könne innerhalb von Wörtern frei verschoben werden. Man kann also statt "du beschlagnahmst", "du schlagbenahmst" oder "du nahmstschlagbe" sagen, ohne dabei in verdutzte Gesichter zu blicken. Tatsächlich behalten die verschobenen Wörter ihre eigentliche Bedeutung bei. Bisher war angenommen worden, dass derartige Verschiebungen vom menschlichen Gehirn nicht zu verarbeiten sind. Das verdeutlicht, welche potentiellen Erkenntnisse in den bedrohten Sprachen dieser Welt liegen und wie wichtig es ist, die bedrohten Sprachen der Welt zu schützen.

Afrika: Daholo
Dahalo ist eine bedrohte Sprache, die in Kenia gesprochen wird. Wie lange noch, ist allerdings nicht mehr sicher, denn das Daholo ist mit nur noch 400 Sprechern vom Aussterben bedroht. Das Konsonantensystem der Sprache ist sehr umfangreich und beinhaltet unter anderem Schnalzlaute, wie sie normalerweise nur in Khoisansprachen auftauchen.

Afrika: Anfillo
Auch das in Westäthiopien gesprochene Anfillo blickt in eine ungewisse Zukunft. Die Sprache wird nur noch von Menschen gesprochen, die 60 Jahre oder älter sind. Schon 1990 gab es nur noch 25 einsprachige Anfillo-Sprecher. Heute sind beinahe alle bilingual aufgewachsen und beherrschen neben Anfillo auch andere regionale Sprachen. Englisch ist Bildungssprache und wird in den meisten Hochschulen gesprochen.
Autor: Lukas Klaas